Wenn Unmögliches möglich wird | Maren Riebe

Ende Juni hallen Freudenschreie durch die Gänge des Ute Bock Hauses. Endlich! Unser Bewohner Mustapha hat tatsächlich einen Aufenthaltstitel bekommen! Mustapha und seine Betreuerin weinen vor Glück, das ganze Team ist erleichtert und gratuliert ihm überschwänglich. Es ist ein besonderer Tag im Ute Bock Haus, denn Mustaphas Fall schien ausweglos.

Mustapha arbeitete in seiner Heimat Gambia als Journalist bei einem regierungskritischen Radiosender. 2007 holten ihn plötzlich bewaffnete Soldaten ab, ihm wurde Sabotage und Verrat vorgeworfen. Mustapha wird Opfer grausamer Folter, er wird schwer verletzt und kommt in das örtliche Krankenhaus. Sobald es sein Gesundheitszustand zulässt, wagt er die Flucht.

Mustapha nimmt die gefährliche Überfahrt übers Mittelmeer auf sich. Ein LKW-Fahrer bringt ihn nach Österreich, wo er in Traiskirchen Antrag auf Asyl stellt. Als Mustapha kurze Zeit später obdachlos wird, kommt er auf der Suche nach Hilfe zu Ute Bock. Sie bringt ihn in einem Zimmer im Ute Bock Haus unter. Diese knapp 12m2 nennt Mustapha seit 11 Jahren sein Zuhause.
Sein Asylantrag wird im Laufe der Jahre in allen Instanzen abgelehnt. Er wird nie abgeschoben, aber man gibt ihm auch keinerlei Perspektive. Mustapha durchlebt Jahre der Unsicherheit, jeden Tag kann die Polizei kommen und ihn abholen. Seine Betreuerin Azadeh gibt alles, um ihn von dieser Unsicherheit zu befreien. Sie stellt mit seiner Rechtsberaterin Anträge für eine
Aufenthaltsberechtigung aus humanitären Gründen, steht ihm bei der Einvernahme im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zur Seite, doch die Beamten sind gnadenlos. Gegen den negativen Bescheid erhebt die Rechtsberaterin Einspruch beim Bundesverwaltungsgericht. Das Gericht erkennt Mustaphas verzweifelte Situation und stimmt der Beschwerde zu: Mustapha darf bleiben!
Mustapha ist eine menschliche Instanz im Ute Bock Haus, alle kennen und mögen ihn. Er hilft, wo er kann und wenn man ihn am Gang lachen hört, muss man einfach lächeln. Am 27. August durfte Mustapha nun endlich seine Aufenthaltsberechtigungskarte abholen. Ihm wird die Last der jahrelangen Unsicherheit von den Schultern genommen. „Ich habe endlich keine Angst mehr!“, sagt der 40jährige mit strahlenden Augen.

Aus der Sicht der Wohnbetreuerin Azadeh:
Unsere Wohnbetreuerin Azadeh Farshidnia kennt und arbeitet seit 2018 mit Mustapha zusammen. Kurz nachdem sie beim Flüchtlingsprojekt Ute Bock angefangen hat zu arbeiten, stand unangekündigt die Fremdenpolizei im Ute Bock Haus und wollte Mustapha zur Abschiebung mitnehmen. Azadeh hatte zuvor so etwas noch nie erlebt und wurde selbst etwas panisch.
Mustapha war jedoch nicht auffindbar.
Zum Glück, denn es war bereits ein Sitzplatz für die Rückführung nach Gambia am nächsten Tag für ihn reserviert.
Gemeinsam mit Edith Kössl (ebenfalls in der Wohnbetreuung bei Ute Bock tätig) zog Azadeh eine Rechtsberatung hinzu, die nun beim BFA eine Aufenthaltsberechtigung aus humanitären Gründen für Mustapha beantragte. Azadeh organisierte in mühsamer Arbeit alle notwendigen Dokumente.

Dadurch bauten Azadeh und Mustapha sehr schnell Vertrauen zu einander auf. Azadeh begleitete Mustapha zur Einvernahme durch das BFA.
Der Antrag wurde in erster Instanz abgelehnt. Durch den Einspruch beim Bundesverwaltungsgericht, erhielt er jedoch kurz darauf den Aufenthaltstitel.
Azadeh erfuhr als erste davon und rief Mustapha, der gerade im Ute Bock Haus in seinem Zimmer war, er müsse bitte schnell zu ihr ins Büro hinunterkommen. „Sie habens! Sie habens!“ rief sie als er da war. „Schauen Sie!“ Azadeh und Mustapha fielen sich in die Arme und schrien vor Freude. Auch Edith war außer sich vor Freude.

Mustapha erhält dank Ute Bock seinen Aufenthaltstitel

Derzeit hat Mustapha noch keinen Arbeitsmarktzugang. Dies könnte sich jedoch nächstes Jahr hoffentlich ändern.

Das Flüchtlingsprojekt Ute Bock unterstützt als private Initiative seit 2002 geflüchtete Menschen in Not mit Wohnraum, umfassender Sozialberatung, kostenlosen Bildungsangeboten und unmittelbarer Soforthilfe. Mit diesen vielfältigen Angeboten begleitet das Flüchtlingsprojekt Menschen auf ihrem Integrationsweg und bietet den Geflüchteten Perspektive, Hoffnung und Unterstützung. Denn es gilt:

#WirsindUteBock!

 

Autor*in: Maren Riebe | Pressesprecherin des Flüchtlingsprojekts Ute Bock.

Nach Jahren in der Lifestyle-PR, ist sie seit Oktober 2019 in der Hilfsorganisation und setzt sich hier für mehr Menschlichkeit in der Gesellschaft ein.

 

Meinungen und Erfahrungen unserer Kontributor*innen sind ihre eigenen.

 

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