COVID Nothilfe der Salvatorianer | Lukas Korosec

Für viele Menschen weltweit geht es seit Beginn der Corona-Pandemie schlicht ums nackte Überleben. In Ländern, in denen soziale Sicherungssysteme fehlen und die Gesundheitsversorgung schon vor der Krise mangelhaft war, leiden wie immer die Schwächsten am meisten. Genau dort sind wir Salvatorianer täglich in Kontakt mit Menschen, die dringend Unterstützung brauchen. Wir verteilen Lebensmittelpakete, fertigen Atemschutz-Masken, bauen Brunnen und versorgen mit sauberem Wasser oder leisten Aufklärungsarbeit, um die Menschen jetzt und in Zukunft vor Krisen zu schützen.

Besonders jetzt sind die Menschen in unseren Gemeinden auf unsere Hilfe angewiesen – etwa im indischen Nongbah und Laitkynsew. Schon vor der Krise lebten die Menschen dort von der „Hand in den Mund“ als einfache Tagelöhner. Die Pandemie hat ihnen nun ihre Existenzgrundlage geraubt und die Menschen leiden Hunger. Die beiden Salvatorianer Pater Probester und Pater Samy versorgen seitdem rund 590 mittellose Familien mit Getreide. Um sie aber alle sicher durch die kommenden Wochen zu retten, fehlen die finanziellen Mittel.

Die Pandemie verschärft den weltweiten Hunger

2019 litten fast 690 Millionen Menschen Hunger. Diese dramatische Lage verschlimmert sich derzeit massiv durch die Corona-Krise: Nach internationalen Schätzungen wird die Pandemie rund 100 Millionen Menschen mehr in die Unterernährung stürzen. In Asien und Afrika, aber auch in Südamerika haben viele Menschen in Folge der Krise ihre Arbeit verloren und können sich und ihre Familien nicht mehr ernähren. Mit zahlreichen Initiativen versorgen Salvatorianer die Notleidenden und bekämpfen den Hunger von Venezuela über Tansania bis hin nach Nord-Ost-Indien.

Viele Familien in den Hügeln von Meghalaya in Nordost- Indien leben vom Abbau in den Kalksteinminen. Seit Beginn der Pandemie sind die Minen geschlossen und die Menschen arbeitslos. Unter den Folgen des Lockdowns leiden aber auch die einfachen Bauern und Tagelöhner in der Region. Die meisten von ihnen haben ihr Einkommen verloren.

Hunger – Dramatische Folge der Corona-Krise

Die größte Sorge der Familien hier ist nicht eine Infektion mit dem Virus, sondern wie sie morgen ihre Familie ernähren sollen, erzählt der Salvatorianer Pater Probester. Rund 300 Familien in seiner Pfarrgemeinde Nongbah sind vom Hunger betroffen. Die Situation in Indien ist dabei keine Ausnahme. Experten warnen davor, dass weltweit mehr Menschen am Hunger sterben könnten als an einer Infektion mit dem Coronavirus. Und tatsächlich berichten uns Salvatorianer aus vielen Ländern, eine dramatische Verschärfung der Notlagen. Gerade in den von Armut betroffenen Teilen der Welt, in denen sie im Einsatz sind, kämpfen immer mehr Familien ums Überleben.

Globale Nothilfen der Salvatorianer in Zeiten von Corona

Angesichts der dramatischen Situation in den südlichen Ländern hat derzeit in zahlreichen Salvatorianischen Einrichtungen die Ausgabe von Nahrung oberste Priorität – etwa in den beiden Lernzentren in den Armenvierteln Manilas, in den Schulen in den Barrios von Caracas oder im Mutter-Kind-Zentrum in Namiungo, Tansania. Überall werden Kinder und deren bedürftige Familien mit dem Wichtigsten versorgt. Daneben ergänzen verschiedene Initiativen die Corona- Nothilfe. Aufklärung und Präventivmaßnahmen, Mundschutz und Hygieneartikel schützen Menschen in den Armenvierteln von Medellín, im ländlichen Kongo und in Kenia vor Infektionen und Krankheit. Unsere Karte zeigt die wichtigsten Covid19-Hilfen und Aktionen in diesem Jahr.

Reis und Getreide sichern das Überleben

Auch im indischen Nongbah verteilt Pater Probester seit April Getreide und Reis an die notleidenden Gemeindemitglieder. Gemeinsam mit dem Salvatorianer Pater Samy, der eine weitere Pfarrgemeinde in der Region betreut, hat er ein HelpLine-Zentrum eingerichtet, um die Hilfen für all jene Menschen zu koordinieren, die die Covid19-Krise besonders hart trifft: Familien ohne Einkommen, Waisenkindern, Senioren und alleinerziehenden Mütter. Auch Indira hat sich im HelpLine-Zentrum gemeldet. Die über Siebzigjährige versorgt nicht nur ihre beiden Enkelkinder, sondern pflegt auch ihre krebskranke Tochter. Seit Beginn der Pandemie erhält sie nun wöchentlich Lebensmittelpakete. „Ohne das Getreide wüsste ich nicht, wie ich uns ernähren sollte“, erzählt sie. Wie Indira sind rund 590 Familien dringend auf die Hilfen angewiesen. Die Nothilfe konnte bisher durch Spendengelder indischer Organisationen gedeckt werden. Doch die finanziellen Mittel sind so gut wie aufgebraucht. Darum bitten wir Sie heute um Ihre Unterstützung. Sichern Sie gemeinsam mit uns die Nahrungsausgabe in den kommenden Wochen.

 

[button2]Hier kannst du die Projekte der Salvatorianer unterstützen [/button2]

 

Autor: Mag. Lukas Korosec | Missionsprokurator Salvatorianer Österreich

Nach dem Studium der Kultur- & Sozialanthropologie absolvierte ich über den Orden der Salvatorianer ein „MaZ“ Freiwilligenjahr in Tansania. Als Missionsprokurator der Salvatorianer bemühe ich mich seit meiner Rückkehr aus Ostafrika u.a. um die finanzielle Unterstützung diverser Sozialwerke des Ordens.

Meinungen und Erfahrungen unserer Kontributor*innen sind ihre eigenen.

Wie die Coronakrise Veränderungen im Freiwilligensektor ausgelöst hat | Karolina Kartus

Freiwilligenarbeit ist in der Regel mit direktem persönlichem Kontakt verbunden. 60- bis 69-Jährige, eine potentielle Risikogruppe, sind in Österreich am häufigsten freiwillig engagiert. 57% von ihnen haben sich im vorangegangenen Jahr mindestens einmal freiwillig gemeldet. Dem gegenüber stehen Menschen aus verschiedenen Risikogruppe, die jetzt mehr denn je Hilfe brauchen, um gesund zu bleiben. Die aktuellen Rahmenbedingungen sind herausfordernd, sie bietet aber auch eine Chance für den Freiwilligensektor sich zu verändern und mit den heutigen Trends Schritt zu halten.

Beeindruckende Solidarität

Trotz der Einschränkungen der Corona-Krise war das freiwillige Engagement in den ersten Monaten beeindruckend. Ein bekanntes Beispiel dafür war die #Nachbarschaftschallenge: Nachbarn boten Menschen aus Risikogruppen Hilfe an. Die Aktion startete in Wien und verbreitete sich viral. Der Zettel im Stiegenhaus oder die von Studenten geführte “Einkaufen gegen Corona” Initiative – alles geschah schnell und unkompliziert und tausende von Menschen engagierten sich oft zum ersten Mal freiwillig. Es stellt sich die Frage, was mit dieser Welle der Nachbarschaftssolidarität weiter passiert?

Endlich digital

Viele Organisationen haben sich immer noch nicht auf die Digitalisierung eingestellt und laufen Gefahr, abgehängt zu werden. Die letzten Entwicklungen haben aber den Übergang des dritten Sektors zur digitalen Welt in noch nie dagewesener Weise beschleunigt. Als Reaktion auf Einschränkungen, haben einige Non-Profit-Organisationen ihr Angebot angepasst und ihre Aktivitäten teilweise digitalisiert, z.B. online Lernhilfe, virtuelle Sprachcafés oder der Support von Digital-Marketing. Das ebnete den Weg zur Mikro-Freiwilligenarbeit (micro-volunteering), einem Trend, der bisher noch kaum in Österreich angekommen war. Die Mikro-Freiwilligenarbeit bedeutet, dass ein kleiner Teil der Freizeit für überschaubare Aufgaben, für deren Erledigung man oft nur einen Laptop oder Telefon benötigt, zur Verfügung gestellt wird. Die Tätigkeiten der Mikro-Freiwilligenarbeit sind schnell zu erledigen, einfach zu organisieren (keine Schulung erforderlich) und unkompliziert. Hinsetzen und loslegen!

Der Zweck vieler Organisationen, wie bspw. ein Obdachlosenheim, macht es oft unmöglich die Kerntätigkeiten zu digitalisieren. Gleichzeitig war es für viele sehr wichtig, ihre Aktivitäten zur Unterstützung der Bedürftigen fortzusetzen. Da sie bisher sehr oft auf ältere Freiwillige angewiesen waren, haben sie nach jüngeren Menschen gesucht, die während der Krise nicht einem höheren Risiko ausgesetzt waren, um die Freiwilligenarbeit zu übernehmen. Das Interesse war groß, so dass man vielerorts Vertretung finden konnte. Die Solidarität der jungen Freiwilligen, aber auch der durch die Krise ausgelöste Veränderungsdruck bei den Organisationen haben das ermöglicht und zu mehr Flexibilität im Freiwilligensektor geführt.

Wie geht es weiter?

Jetzt ist es an der Zeit, dafür zu sorgen, dass diejenigen, die während der Krise aktiviert wurden, weiterhin ehrenamtlich tätig bleiben. Es stellt sich die Frage, warum sie sich nicht schon früher freiwillig engagiert haben. Freiwilligenarbeit soll das Gefühl geben, dass man gebraucht wird. Ich glaube, das ist ein entscheidender Faktor, um das Engagement & Solidarität auf dem bisherigen Niveau zu halten. Es ist auch wichtig, die neuen Formen des Engagements beizubehalten. Dazu werden Online-Tools benötigt, die Freiwillige und Organisationen unterstützen – um die freiwilligen Tätigkeiten schnell zu finden und arrangieren, mühelos miteinander zu kommunizieren und Freiwillige zu managen. Laut dem Freiwilligenbericht 2019 sind mehr als 50% der Freiwilligen der Meinung, dass noch mehr als bisher über die Engagementmöglichkeiten informiert werden sollte – stärkere Online-Präsenz ist ein Muss.

Angesichts der heutigen Erfahrung stelle ich mir die Frage: Können wir Freiwilligenarbeit weniger formell gestalten, ohne die Qualität zu beeinträchtigen?

 

 

Autor*in: Karoline Kartus | Co-Founder & Partnerships Social Held

Karolina Kartus ist eine der beiden Gründerinnen von Social Held. Nach Stationen als Business Analystin und Associate Marketing Managerin, setzt Sie sich seit 2019 mit der Plattform dafür ein, freiwilliges Engagement in Österreich zu fördern.

 

Meinungen und Erfahrungen unserer Kontributor*innen sind ihre eigenen.

Warum ich Schulgschichtn erzähle | Verena Hohengasser

Ich habe Psychologie studiert, weil ich an Menschen, an Beziehungen und eigentlich an allem Sozialem interessiert bin. Ich wollte zwischenmenschliche Prozesse verstehen, mit und für Menschen arbeiten. Nach dem Studium und einem ersten Einblick in die Praxis der universitären Forschung musste ich mir eingestehen, dass mir der Forschungsalltag zu weit weg war vom Menschen, zu wenig unmittelbar, zu sehr beobachtend, zu wenig teilhabend, verändernd und verbessernd.
Auf der Suche nach Therapie-Ausbildungen, stolperte ich über ein Inserat von Teach for Austria: Bildungsgerechtigkeit. Jedes Kind erreichen. Chancen ermöglichen. Klang gut. Aber Lehrerin werden? Nachdem ich die letzten 7 Jahre in Studium und Kleinkindforschung investiert hatte? Euphorie, Neugier und das „Was solls-Gefühl“ siegten letztlich, ich schlitterte von einer Bewerbungsrunde in die nächste und erlebte keine 5 Montate später meinen zweiten 1. Schultag in einer Wiener Mittelschule im 11. Bezirk. Heute, mehr als 4 Jahre später bin ich Klassenvorstand einer 4. Klasse.

In den vergangenen Jahren traf ich auf Kinder und Jugendliche, die alles zwischen unheimlich motiviert und etwas resigniert sind. Kinder, die dir mit 13 sagen, sie könnten gar nichts. Kinder, die wissen, dass sie in dieser Schule sind, weil in der Volksschule befunden wurde, dass sie für ein Gymnasium nicht gut genug seien. Kinder, denen gesagt wurde, dass sie zu dumm seien, es wo anders zu schaffen. Kinder, die trotz widriger Umstände innerhalb kürzester Zeit Deutsch lernen – für viele die zweite oder sogar dritte Sprache. Kinder, die für ihren Akzent oder ihre Sprachfehler in der Öffentlichkeit oft abschätzig betrachtet, ja mitunter sogar beschimpft werden. Kinder, die Verantwortung für Geschwister übernehmen und in der Schule fehlen, wenn sie die Eltern bei Amtswegen unterstützen müssen. Kindern, denen ich schweren Herzens trotz alledem immer wieder sagen muss, dass es immer noch nicht reicht und dass sie sich noch mehr anstrengen müssen, wenn sie es schaffen wollen.
Und ich bin auf Lehrkräfte gestoßen, die grenzenlos geduldig sind, die gelernt haben vieles mit Humor zu nehmen und sich mit teils enormem Einsatz darum bemühen den Kindern mitzugeben, was sie für ein selbstbestimmtes Leben brauchen.

Medial wird über diese Kinder, Lehrkräfte und Schulen normalerweise hergezogen. Brennpunktschule. Gewaltbereite Kinder. Radikalisierte Jugendliche. Überforderte Lehrkräfte. Kurzgesagt, die Mittelschule sei ein Ort der Aggression, des Kulturkampfes, der Radikalisierung. Sucht man nach vermeintlichen Beweisen, warum Integration nicht gelingt, schaut man gerne in die Mittelschule. Abgesehen davon, schaut aber niemand gerne dort hin. Die Schuld an dem, was in Mittelschulen nicht funktioniert wird in der Regel jenen gegeben, die am wenigsten dafür können. Es wird mit dem Finger auf unsere Schülerinnen und Schüler gezeigt, sie werden zu Schuldigen gemacht für ein System, in dem sie selbst die Leidtragenden sind. Ein System, von dem sie sich nie ausgesucht haben Teil davon zu sein.

Meine Frustration und die Wut über die mediale Darstellung, Beschuldigung und Vereinfachung gipfelte schließlich im Herbst 2018, als ausgelöst durch ein Buch, die NMS (Neue Mittelschule) und ihre Kinder wieder einmal im negativen Rampenlicht darstellte. Plötzlich hatte jede*r eine Meinung und ein Urteil darüber parat, jede*r war Expertin, schließlich haben ja auch alle irgendwann mal selbst eine Schule besucht. Die Behauptungen und Verallgemeinerungen, die in dieser medialen Debatte vorgenommen wurden, wurden dem, was ich täglich in der Schule erlebte nicht einmal ansatzweise gerecht. Glücklicherweise war ich mit dieser Wahrnehmung nicht alleine. „Wir könnten auch ein Buch schreiben, so viele Gschichtn haben wir zu erzählen.“ Aus diesem leicht frustrierten, flapsigen Beitrag in einer WhatsApp Gruppe wurde schnell ein ernstes Vorhaben. Wenn niemand die anderen Geschichten aus der Mittelschule erzählt, dann würden eben wir das machen. Gemeinsam mit meiner Klassenvorstandskollegin Simone Peschek und meinem Kollegen Felix Stadler, der in Schwechat unterrichtete, tüftelten wir schon kurze Zeit später an einer Umsetzung dieses Plans. Dass es kein Buch, sondern ein Blog werden sollte, war schnell klar. Die Idee war es, Platz zu bieten um andere Gschichtn zu erzählen. Gschichtn, die zeigen, was in unseren Schulen gut läuft, was von Kindern und Lehrkräften geleistet wird und womit sie zu kämpfen haben. Erzählen sollten endlich einmal die, über die normalerweise gesprochen wird. Lehrerinnen und Lehrer, Kinder, Eltern und alle anderen, die täglich mit dem System Mittelschule in Berührung kommen. Das sind diejenigen, die wir als echte Expertinnen und Experten verstehen. Das Ziel ist es zu zeigen, wie Mittelschulen wirklich sind. Wir wollen die Erfolgsgeschichten genauso sichtbar machen wie wir auf die Probleme hinweisen und Lösungsvorschläge machen. Der Grundton bleibt dabei konstruktiv, jedoch ohne den Anspruch schön zu reden, was offensichtlich schief läuft.

Unser Wunsch war eine kurze mediale Aufmerksamkeitswelle. Für eine gewisse Zeit wollten wir einen kleinen, aber für uns wesentlichen Teil zur sonst so einseitig geführten Debatte beitragen. Wir wollten die Erzählweise über Mittelschulen erweitern und bereichern. Der tatsächliche und anhaltende, öffentliche Zuspruch und die Unterstützung, die wir seit Start unseres Blogs im Februar 2019 erhalten, hat diese anfänglichen Hoffnungen aber bei weiten übertroffen. Es bestärkt uns in dem was wir tun, weil es zeigt, dass das Bedürfnis nach echten und konstruktiven Geschichten groß ist und, dass nach und nach ein echtes Interesse daran entsteht, genauer hinzusehen.
Den Diskurs über Schule verändern. Das war das oberste Ziel, das wir bereits bei unserem ersten Treffen formuliert haben. Und langsam kommt etwas in Bewegung. Heute bieten wir nicht nur die Plattform für Geschichten und schreiben selbst über Schule, sondern wir nehmen auch an Bildungsdiskussionen teil und werden immer wieder um Statements zu aktuellen Entwicklungen in der Schule gebeten. Es sind also doch vielseitigere Meinungen gefragt.

Unmittelbar, teilhabend, verändernd, verbessernd. Was mir in der universitären Forschung gefehlt hat, das darf ich heute leben.

 

Autor*in: Verena Hohengasser | Psychologin, Lehrerin und Mitgründerin von Schulgschichtn.com

Meinungen und Erfahrungen unserer Kontributor*innen sind ihre eigenen.

Mustapha erhält dank Ute Bock seinen Aufenthaltstitel

Wenn Unmögliches möglich wird | Maren Riebe

Ende Juni hallen Freudenschreie durch die Gänge des Ute Bock Hauses. Endlich! Unser Bewohner Mustapha hat tatsächlich einen Aufenthaltstitel bekommen! Mustapha und seine Betreuerin weinen vor Glück, das ganze Team ist erleichtert und gratuliert ihm überschwänglich. Es ist ein besonderer Tag im Ute Bock Haus, denn Mustaphas Fall schien ausweglos.

Mustapha arbeitete in seiner Heimat Gambia als Journalist bei einem regierungskritischen Radiosender. 2007 holten ihn plötzlich bewaffnete Soldaten ab, ihm wurde Sabotage und Verrat vorgeworfen. Mustapha wird Opfer grausamer Folter, er wird schwer verletzt und kommt in das örtliche Krankenhaus. Sobald es sein Gesundheitszustand zulässt, wagt er die Flucht.

Mustapha nimmt die gefährliche Überfahrt übers Mittelmeer auf sich. Ein LKW-Fahrer bringt ihn nach Österreich, wo er in Traiskirchen Antrag auf Asyl stellt. Als Mustapha kurze Zeit später obdachlos wird, kommt er auf der Suche nach Hilfe zu Ute Bock. Sie bringt ihn in einem Zimmer im Ute Bock Haus unter. Diese knapp 12m2 nennt Mustapha seit 11 Jahren sein Zuhause.
Sein Asylantrag wird im Laufe der Jahre in allen Instanzen abgelehnt. Er wird nie abgeschoben, aber man gibt ihm auch keinerlei Perspektive. Mustapha durchlebt Jahre der Unsicherheit, jeden Tag kann die Polizei kommen und ihn abholen. Seine Betreuerin Azadeh gibt alles, um ihn von dieser Unsicherheit zu befreien. Sie stellt mit seiner Rechtsberaterin Anträge für eine
Aufenthaltsberechtigung aus humanitären Gründen, steht ihm bei der Einvernahme im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zur Seite, doch die Beamten sind gnadenlos. Gegen den negativen Bescheid erhebt die Rechtsberaterin Einspruch beim Bundesverwaltungsgericht. Das Gericht erkennt Mustaphas verzweifelte Situation und stimmt der Beschwerde zu: Mustapha darf bleiben!
Mustapha ist eine menschliche Instanz im Ute Bock Haus, alle kennen und mögen ihn. Er hilft, wo er kann und wenn man ihn am Gang lachen hört, muss man einfach lächeln. Am 27. August durfte Mustapha nun endlich seine Aufenthaltsberechtigungskarte abholen. Ihm wird die Last der jahrelangen Unsicherheit von den Schultern genommen. „Ich habe endlich keine Angst mehr!“, sagt der 40jährige mit strahlenden Augen.

Aus der Sicht der Wohnbetreuerin Azadeh:
Unsere Wohnbetreuerin Azadeh Farshidnia kennt und arbeitet seit 2018 mit Mustapha zusammen. Kurz nachdem sie beim Flüchtlingsprojekt Ute Bock angefangen hat zu arbeiten, stand unangekündigt die Fremdenpolizei im Ute Bock Haus und wollte Mustapha zur Abschiebung mitnehmen. Azadeh hatte zuvor so etwas noch nie erlebt und wurde selbst etwas panisch.
Mustapha war jedoch nicht auffindbar.
Zum Glück, denn es war bereits ein Sitzplatz für die Rückführung nach Gambia am nächsten Tag für ihn reserviert.
Gemeinsam mit Edith Kössl (ebenfalls in der Wohnbetreuung bei Ute Bock tätig) zog Azadeh eine Rechtsberatung hinzu, die nun beim BFA eine Aufenthaltsberechtigung aus humanitären Gründen für Mustapha beantragte. Azadeh organisierte in mühsamer Arbeit alle notwendigen Dokumente.

Dadurch bauten Azadeh und Mustapha sehr schnell Vertrauen zu einander auf. Azadeh begleitete Mustapha zur Einvernahme durch das BFA.
Der Antrag wurde in erster Instanz abgelehnt. Durch den Einspruch beim Bundesverwaltungsgericht, erhielt er jedoch kurz darauf den Aufenthaltstitel.
Azadeh erfuhr als erste davon und rief Mustapha, der gerade im Ute Bock Haus in seinem Zimmer war, er müsse bitte schnell zu ihr ins Büro hinunterkommen. „Sie habens! Sie habens!“ rief sie als er da war. „Schauen Sie!“ Azadeh und Mustapha fielen sich in die Arme und schrien vor Freude. Auch Edith war außer sich vor Freude.

Mustapha erhält dank Ute Bock seinen Aufenthaltstitel

Derzeit hat Mustapha noch keinen Arbeitsmarktzugang. Dies könnte sich jedoch nächstes Jahr hoffentlich ändern.

Das Flüchtlingsprojekt Ute Bock unterstützt als private Initiative seit 2002 geflüchtete Menschen in Not mit Wohnraum, umfassender Sozialberatung, kostenlosen Bildungsangeboten und unmittelbarer Soforthilfe. Mit diesen vielfältigen Angeboten begleitet das Flüchtlingsprojekt Menschen auf ihrem Integrationsweg und bietet den Geflüchteten Perspektive, Hoffnung und Unterstützung. Denn es gilt:

#WirsindUteBock!

 

Autor*in: Maren Riebe | Pressesprecherin des Flüchtlingsprojekts Ute Bock.

Nach Jahren in der Lifestyle-PR, ist sie seit Oktober 2019 in der Hilfsorganisation und setzt sich hier für mehr Menschlichkeit in der Gesellschaft ein.

 

Meinungen und Erfahrungen unserer Kontributor*innen sind ihre eigenen.